Wer häufiger hier im Blog zu Gast ist, kennt meine
aktuelle Situation. Ich habe seit 2016 ein Bronchialkarzinom und bin seitdem auch von 100% Arbeit auf Null zurück gefallen. (Mehr Infos zum Krankheitsverlauf
hier). In diesem Beitrag möchte ich euch meine Erfahrungen mit der monetären Seite des krank seins beschreiben.
Alles, was ich hier schreibe, gilt für meine Situation (Angestellter, gesetzlich krankenversichert, durchgehend wegen der selben Krankheit krank geschrieben) und ist - bei aller Sorgfalt - keine Rechtsratgeber.
Meine falschen (!!) Annahmen
- Lohnfortzahlung 6 Wochen + 78 Wochen Krankengeld = 84 Wochen bin ich finanzielle abgesichert. Falsch! Und das gleich auf mehreren Ebenen.
- Ich habe Anspruch auf diese 78 Wochen Krankengeld. Falsch!
- Ich bekomme alle wichtigen Infos fristgerecht von den entsprechenden Stellen (Krankenkasse, Arbeitsamt, Rentenversicherung, Sozialberatung Krankenhaus,...) Falsch!
Meine Erfahrungen
Zuerst ist es von extremster Wichtigkeit, eine durchgehende Krankmeldungsgeschichte zu haben. Die "gelben Zettel" dürfen keine Lücken aufweisen. Da die meisten Ärzte aber nicht gleich 6 Wochen krankschreiben muss man sich also von den entsprechenden Stellen (Onkologie, Hausarzt) seine Krankmeldungen mit nahtlosen Verlauf ausstellen lassen!
Lohnfortzahlung
Wer krank ist, bekommt die ersten 6 Wochen von seinem Arbeitgeber das Gehalt weiter gezahlt. Kennt jeder und ich konnte da keine Fallstricke erkennen. Wichtig ist eben der nahtlose Verlauf der Krankmeldungen.
Krankengeld
Wer nach den 6 Wochen immer noch krankgeschrieben ist, bekommen sein Geld von der Krankenkasse, das sog. Krankengeld. Das Krankengeld wird in den ersten 78 Wochen gezahlt und beträgt etwa 70% des Bruttolohns. Hier haben wir aber schon die ersten 2 Missverständnisse!
- Die 78 Wochen zählen ab dem ersten Tag der Krankschreibung! Da aber die ersten 6 Wochen der Arbeitgeber zahlt, zahlt die Krankenkasse noch max. 72 Wochen!
- Solltest du glauben, das du diese 78 Wochen absolut sicher Geld bekommst - falsch!
Ich bin also davon ausgegangen, das ich nach den 6 Wochen Lohnfortzahlung 78 Wochen Krankengeld bekommen. Die erste Überraschung: Nach ca 3 Monaten Krankengeld kam ein Brief von der Krankenkasse (ich drücke es in eigenen Worten aus!): Wir gehen davon aus, das sie auf Grund ihrer Erkrankung nicht mehr Arbeit gehen werden können. Sollte dem so sein, müssen wir auch kein Krankengeld mehr zahlen da sie dann ein Fall für die Erwerbsunfähigkeitsrente (Rentenversicherung) sind. Schock! Was soll den das? Die Krankenkasse will folgendes: Ich soll eine Rehaantrag bei der Rentenversicherung stellen. In dieser Reha wird dann von der Rentenversicherung festgestellt, das ich nicht mehr Arbeiten gehen werden können und dann zahlt die Rentenversicherung Erwerbsunfähigsrente und die Krankenkasse ist weit vor den 78 Wochen raus. Darf die Krankenkasse das den? Ja, darf sie. Also habe ich eine Rehantag gestellt der auch bewilligt wurde. Da es aber immer medizinische Gründe gab, gerade jetzt keine Reha zu machen und sich alles gezogen hat, entfiel die Reha und ich bekam mein Krankengeld dann doch "bis zu Ende".
Krankengeld 78 Wochen? Ne!
Als Techniker habe ich immer alle Termine und Fristen in meinen Kalender eingetragen (mit entsprechendem Vorlauf), also z.B. wann die Zahlung des Krankengeld ausläuft. Komischerweise kam von der Krankenkasse bereits weit vorher ein Schreiben, das die Zahlung zu einem bestimmte Datum ausläuft. Dieses Datum lag vor meinem errechneten Datum. Was ist das los? Ganz einfach: Die 78 Wochen zählen ab dem ersten Tag der Krankschreibung! Muss man also 6 Wochen Krankengeldzahlung abziehen. Bleiben eben noch max.72 Wochen Krankengeld übrig. Hätte ich mich da auf meine "Berechnungen" verlassen, hätte ich Problem habt. Der Brief mit dem Ende der Zahlung kam aber so rechtzeitig, daß ich genügend Zeit hatte, die nächsten Schritte einzuleiten.
Ende Krankengeld: Wer zahlt weiter?
Im Brief der Krankenkasse mit dem Mitteilung des Endes der Krankengeldzahlung wurde auf die nächsten Schritte hingewiesen, den irgendwoher muss das Geld ja kommen, mit dem ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Kurzfristig springt das Arbeitsamt ein, bei dem man sich "arbeitslos" meldet. Aber eigentlich ist die Rentenversicherung zuständig, da ich ja nicht arbeitsfähig bin, also Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) habe. Also bin ich auf Arbeitsamt und habe gleichzeitig bei der Rentenversicherung einen Termin ausgemacht um dort den Antrag auf EU-Rente zu stellen.
Arbeitsamt
Ich bin also auf Arbeitsamt um vom Schalter die Formulare in Empfang zu nehmen, die ausgefüllt werden müssen, bevor ein Sachbearbeiter sich meiner annimmt. Kleine Anekdote nebenher: U.a. musst ein tagesgenauer Arbeitsverhältnislebenslauf ausgefüllt werden. Ich habe gefragt, ob das wirklich notwendig ist, den woher soll ich wissen, wann ich vor 30 Jahren meine Ausbildung als Werkzeugmacher mein Sulzer Escher Wyss angefangen hab. "Ja, muss ausgefüllt werden" war die Antwort des Schalterbeamten. Ich hatte im meine Smartphone in Evernote den Auszug der Rentenversicherung über den Versicherungsverlauf und so gelang es mir, in einer 3/4 Stunde, die Tabelle nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen. Dann würde ich zu einer Sachbearbeiterin vorgeschickt. Die schaute sich meine Tabelle an und sah dann, das ich schon fast 20 Jahre bei der gleichen Firma angestellt war und was sagt die dann: "Sie arbeite ja schon 20 Jahre bei der gleichen Firma, da hätten sie die Tabelle nicht ausfüllen brauchen!". Ehrlich: Ich hätte im Strahl kotzen können. So eine Scheiße erlebst du nur bei Behörden, denen es egal ist, ob der Kunde "zufrieden" ist. Letztendlich hat aber alles geklappt und ich bekam nahtlos nach dem Krankengeld das Arbeitslosengeld zum Übergang bis zur EU-Rente.
Rentenversicherung
Zeitnah mit dem Arbeitsamt hatte ich den Termin bei der Rentenversicherung Vorort, um gemeinsam den Antrag auf EU-Rente zu stellen. Der Termin musste vorab ausgemacht werden (zeitlichen Vorlauf einrechten!) und man bekommt zur Vorbereitung auf den Termin eine Checkliste, was alles mitgebracht werden muss. U.a. war dort die Rede von einer tabellarischen Übersicht über die Krankenversicherungsgeschichte zurück bis 1988(!!!). Ich hatte einen Flash Back zum Arbeitsamt und dem Arbeitsverhältnislebenlauf. Das soll ein Witz sein, dachte ich. Ich habe alte Unterlagen durchsucht bis zurück zu meiner Lehre und nach ca. 2 Stunden in kalten Büro hatte ich einen - lückenhaften - Krankenversicherungsverlauf (wann und wie lange bei welcher Krankenkasse versichert).
Mit diesen Unterlagen bin ich dann zur Rentenversicherung. Und - glaubt es oder nicht - was sagt die Sachbearbeiterin zu meinem Krankenversicherungsverlauf: Wäre nicht notwendig gewesen, hat sie ja alles "im System". Schon wieder im Strahl kotzen und ich war echt sauer. Dann habe sich alle wieder beruhig und wir haben gemeinsam den EU-Renteantrag ausgefüllt. Diese wurde jetzt zum zweiten mal je für 2 Jahre befristet, bewilligt.
Was jedem klar sein muss: Es wird immer weniger Geld. Lohnfortzahlung, kennt jeder. Dann kommt das Krankengeld mit ca. 70% des Bruttogehalts. Arbeitlosengeld ist dann ca. 60% des Nettogehalts und die Höhe der EU-Rente seht ihr ja auf jedem Bescheid der Rentenversicherung.
Zuletzt ein aktueller Stand
Ich habe neben den Tumoren eine Metastase rechts die durch 3 Rippe und das Gewebe wächst. Durch Bestrahlung soll diese verkleinert werden. Ich lese viel und nehme mehr Tabletten, als ein Durchschnittsrentner, hauptsächlich gegen Schmerzen.
Wer mir was Gutes tun will, kann mir hier neuen Lesestoff spendieren, den so Dicke ist es nicht mehr, mit der EU-Rente. Wobei ich mich nicht beschweren kann. Ich komme gut über die Runden.
Die Lage war schon besser.